Die Namensgebern unserer Schule: Gertrud Bäumer

Lehrerin – Bildungspolitikerin – Frauenrechtlerin

Im Jahre 1933 veröffentlichte Gertrud Bäumer ihre Autobiographie „Lebensweg durch eine Zeitenwende“. Mit diesem Titel umriss sie sehr treffend die Problematik ihres Lebens. Sie wurde 1873 in Hohenlimburg geboren und verstarb 1954 in Bielefeld-Bethel. Somit erlebte sie als erwachsene Frau sowohl die Jahrhundertwende als auch den ersten und den zweiten Weltkrieg. In einer Zeit so extremer sozialer, ökonomischer, politischer und kultureller Umbrüche verwundert es nicht, dass auch Gertrud Bäumers Lebensweg sehr vielschichtig ist und erhebliche Zäsuren aufweist. Kontinuität findet sich allerdings in ihrem Interesse an der Politik und der Frauenbewegung; diese beiden Themenkreise bilden die Grundpfeiler ihres lebenslangen Engagements.


Gertrud Bäumer war die Tochter eines liberalen protestantischen Pfarrers, der jedoch verstarb, als sie erst 10 Jahre alt war. Durch die Schwierigkeiten ihrer Mutter, die Familie allein durchzubringen, wurde ihr schon früh klar, wie schwer es für Frauen ohne Berufsausbildung war, sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten. Daher beschloss sie Grundschullehrerin zu werden und absolvierte bereits mit 19 Jahren ihr Examen. Während ihrer Tätigkeit als Lehrerin in Kamen und anschließend in Magdeburg wurde sie mit den Nöten der unteren Bevölkerungsschichten konfrontiert und legte hier den Grundstein für ihr sozialpolitisches Interesse, das zu einer intensiven Zusammenarbeit mit dem liberalen Politiker Friedrich Naumann führen sollte. Gleichzeitig knüpfte sie Kontakte zum „Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein“ und kam so mit der bürgerlichen Frauenbewegung in Kontakt. Als sie 1898 nach Berlin übersiedelte, bestand sie ihr Oberlehrerinnenexamen und studierte anschließend deutsche Philologie, Philosophie und Sozialwissenschaften. 1904 schloss sie ihre Studienjahre mit dem Dr.phil. ab.


In Berlin lernte Gertrud Bäumer die Frauenrechtlerin Helene Lange kennen und blieb bis zu deren Tod 1930 ihre Weg- und Lebensgefährtin. Aktiv unterstützte sie ihre Freundin bei dem Projekt  einer fundierten Mädchenbildung. In eigens gegründeten Lehranstalten konnten Mädchen zunächst Real- und später auch Gymnasialkurse in allen Fächern (d.h. auch in den sonst Jungen vorbehaltenen Disziplinen Mathematik, Naturwissenschaften, Geschichte und Ökonomie) besuchen. 1896 legten die ersten sechs dieser Schülerinnen unter großem öffentlichen Interesse ein externes Abitur ab.


Seit 1901 gehörte Gertrud Bäumer dem Vorstand des „Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenvereins“ an, dessen Ziel in der Verbesserung der Lehrerinnenausbildung und in der rechtlichen und finanziellen Gleichstellung von Lehrerinnen mit ihren männlichen Kollegen bestand. Darüber hinaus engagierte Gertrud Bäumer sich im „Allgemeinen Deutschen Frauenverein“ und war viele Jahre Redakteurin der Vereinszeitschrift „Neue Bahnen“. Auch dieser Verein richtete sein Hauptaugenmerk auf die Verbesserung der Mädchenbildung und die Erweiterung der Erwerbsmöglichkeiten von Frauen. 1910-1919 führte Gertrud Bäumer den Vorsitz im „Bund Deutscher Frauenvereine“, dem Dachverband der bürgerlichen Frauenbewegungen, und ein halbes Jahrhundert lang (1893-1944) war sie Herausgeberin der Monatszeitschrift „Die Frau“, die in weiten Frauenkreisen gelesen wurde und über verschiedenste politische, soziale und kulturelle Aspekte des Frauenlebens informierte. Besondere Meilensteine, über die Gertrud Bäumer in dieser Zeitschrift berichten konnte, waren die generelle Zulassung von Frauen zum Abitur und zum Hochschulstudium (1908), die Mitgliedschaft der Frauen in politischen Parteien (ebenfalls 1908) sowie insbesondere die Einführung des allgemeinen Wahlrechts (1918).


In der Weimarer Republik wandte sich Gertrud Bäumer verstärkt der parteipolitischen Arbeit zu. 1919 gründete sie mit Friedrich Naumann die Deutsche Demokratische Partei und war bis 1932 als deren Abgeordnete Mitglied des Reichstags. 1920 übernahm sie als Ministerialrätin das Referat für Schule und Jugendwohlfahrt und machte sich in beiden Bereichen sehr verdient, z.B. mit dem Jugendwohlfahrtsgesetz und der Einrichtung von Jugendämtern im Jahre 1922.


Neben diesem fortschrittlichen sozialpolitischen Engagement findet sich in der Biographie Gertrud Bäumers jedoch auch eine ambivalente Seite: Während des ersten Weltkriegs organisierte sie den „Nationalen Frauendienst“, der Frauen in der kriegsbedingten Ausnahmesituation die Chance bot, in Staat und Gesellschaft einen aktiveren Platz einzunehmen. Zugleich wurde durch diesen „Heimatdienst“, wie Gertrud Bäumer ihn bezeichnete, jedoch die deutsche Kriegsführung unterstützt. – Nach der Machtergreifung 1933 wurde Gertrud Bäumer ihres Amtes als Ministerialrätin enthoben, denn man bezweifelte ihre nationale Zuverlässigkeit, was sie tief kränkte. So arbeitete sie als Autorin bildungsbürgerlicher Unterhaltungsromane und hielt Vortragsreisen. Nach dem Ende des 2.Weltkriegs blieb sie politisch interessiert und war bis zu ihrem Tod Mitglied der CDU.


Gertrud Bäumer war eine ungewöhnliche Frau und zugleich typisch für ihre Zeit, denn die Widersprüche ihres Lebens resultierten aus der „Zeitenwende“, die sie miterlebte. Ihr lebenslanges Engagement für die Jugend und für eine selbstständige und gleichberechtigte Mitwirkung der Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen haben sie zur Namensgeberin unserer Schule gemacht!

C.Quandt


Quellen: Dr. Ursula Krey: Dr. Gertrud Bäumer. 1873-1954. Frauenbewegte Politikerin. Beitrag für das  Frauen-Gedenk-Labyrinth, Bielefeld 2003.
Daniela Wieland: Geschichte der Frauenemanzipation. Düsseldorf 1983.